Am 16. Juni 2016 fand im Börsensaal der IHK Köln die zweite WebVideoCon statt. In diesem Jahr stand auf der Video-Marketing-Konferenz die Strategie im Fokus. Sieben Speaker mit Expertenwissen auf diesem Gebiet beleuchteten das Thema von verschiedenen Seiten. Das Publikum erfuhr unter anderem, warum Reichweite nicht alles ist und Datenanalyse das Wichtigste, dass kein guter Marketer Angst vor Ad-Blockern haben muss, warum Thumbnails entscheidender für den Erfolg eines Videos sein können als der Ton, warum eine gute Content-Strategie überlebenswichtig für die meisten Unternehmen ist und was Smokey Eyes damit zu tun haben.

 

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Rokenbok goes online: eine Erfolgsgeschichte

Caitlin Bigelow aus San Diego, Kalifornien, eröffnete mit ihrem Vortrag die Konferenz. Trotz eines gebrochenen Zehs, den sie sich beim Fußballspielen zugezogen hatte, hat die Marketingleiterin des Spielzeugherstellers Rokenbok Education den langen Weg über den Atlantik auf sich genommen, um zu schildern, wie das Unternehmen dank Videos den Sprung in die digitale Welt geschafft hat.

Die erklärungsbedürftigen und eher hochpreisigen Nischenprodukte von Rokenbok waren vor der Digitalisierung der Marketingstrategie nur im Fachhandel erhältlich, die Präsentation kostspielig und die Umsätze sinkend. Vor zehn Jahren wagte sich Rokenbok in die Welt des Videos und stellte erste Clips online, die die Vielfältigkeit des Spielzeugs zeigten. Ein cleverer Schachzug, wie sich herausstellte: Heute zählt Rokenbok mehr als 75 Millionen Views auf dem eigenen YouTube-Kanal und vertreibt die Produkte nur noch online. Der Großteil des Traffics auf der Rokenbok-Website kommt von YouTube.

 

Caitlin Bigelow von Rokenbok spricht auf der WebVideoCon2016

 

Aber wie hat das Unternehmen das nur geschafft? Die Zauberformel, die wir an diesem Konferenztag häufig gehört haben, lautet: Kenne deine Zielgruppe, sprich sie emotional an und unterhalte sie! Mit einem Mix aus Action-Abenteuer-Videos, Produktvideos und Clips, die pädagogische Inhalte ansprechen, konnte der Spielzeughersteller sowohl Kinder als auch Eltern für sich gewinnen. Erstaunlicherweise verschob sich das Zielgruppenalter unter den Kindern von 8 bis 14 Jahren hin zu den Zwei- bis Achtjährigen. Die Erklärung dafür ist einleuchtend: Wer hat nicht schon mal ein kleines Kind mit einem Smartphone oder einem Tablet in den Händen gesehen? Was früher der Fernseher zur Beschäftigung der Kleinen war, leisten heute mobile Geräte. Die bunten Rokenbok-Videos sind der Renner bei den Kids. Und schon ist die junge Zielgruppe gewonnen – der erste Schritt in die Köpfe und Herzen der Eltern, also der eigentlichen Kunden, ist getan.

Die Videos produziert Rokenbok inhouse – bis zu 45 Stück pro Jahr. Mit einfachem Equipment, Kreativität, einem Händchen für Skript und Regie sowie viel „learning by doing“ kann jeder guten Video-Content produzieren, sagt Caitlin. Ihr Tipp: Investieren Sie in gute Mikrofone und Licht! Für die Drehs engagiert sie einen professionellen Kameramann. Immer wieder betonte Caitlin, wie wichtig die Erfolgsmessung ist, um Optimierungspotenzial zu erkennen – dafür sollte das WebVideoCon-Publikum nicht zum letzten Mal an diesem Tag sensibilisiert werden. Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor: Thumbnails, also die Vorschaubilder der Videos. Sie entscheiden darüber, ob das Video überhaupt geklickt wird oder nicht. Einfache, aber hochwertige und emotionale Thumbnails mit maximal zwei abgebildeten Personen erzielen die beste Wirkung.

 

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Auf direktem Weg ins Langzeitgedächtnis: Emotionen bleiben hängen

Auch der nächste Speaker, unser netspirits-Geschäftsführer Christian Tembrink, wies auf die Bedeutung der Videovorschaubilder beim YouTube-Ranking hin. In seinem Vortrag „YouTube als Chance für dein Unternehmen“ verdeutlichte er, wie wichtig es ist, mit seinem Content hervorzustechen, um in der täglichen Flut von Werbebotschaften nicht unterzugehen. Seine Überzeugung als Wirtschaftspsychologe und Marketingprofi mit mehr als 15 Jahren Erfahrung im Business: Videos sind die Zukunft im Marketing. Für einige clevere Unternehmen hat die Zukunft bereits begonnen: Mit praktischen Tipps aus ihrer Branche positionieren sie sich schon heute als Experten auf ihrem Gebiet. Wer das schafft, gewinnt Kunden. Vor allem How-to-Videos erfreuen sich steigender Beliebtheit: Die Anzahl der Suchanfragen wächst jährlich um 70 Prozent. Chris warnte jedoch: Wer das zehntausendste Smokey-Eyes-Tutorial anbietet, wird beim Publikum nicht punkten. Originalität ist gefragt!

Auch Chris betonte, dass ohne Erfolgsmessung und Auswertung der Daten der Erfolg mit großer Wahrscheinlichkeit wegbleibt. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für hochwertige Inhalte sind Emotionen. Emotionen finden den direkten Weg in unser Langezeitgedächtnis, ohne Umweg über das Ultrakurzzeit- und Kurzzeitgedächtnis. Dass Videos am effektivsten Emotionen erzeugen, demonstrierte Chris eindrucksvoll: Er zeigte zunächst einen Text über den Geschmack von Zitronen, dann ein Bild von Zitronen und schließlich ein Video von einem kleinen Jungen, der in eine Zitrone beißt. Wie erwartet erzeugte nur das Video merklich Emotionen – nämlich zahlreiche Lacher im Saal.

 

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Die richtige Botschaft, zur richtigen Zeit an die richtige Person

Bewegtbild 3.0 – so nennt Jonathan Pawlas, Head of Digital Strategy bei Warner Bros. Entertainment, Videos, die heute über verschiedenste Kanäle verbreitet werden – von Videokanälen über mobile Apps bin hin zu Smart TV. Um hier erfolgreich zu sein, ist Individualismus gefragt, und natürlich die Erfolgsmessung! KPIs, KPIs, KPIs; messen, messen, messen – so lautet auch Joes Mantra. Daten sind das neue Gold, sagt Jonathan. Spätestens jetzt hat jeder Besucher im Börsensaal der IHK verstanden, wie wichtig die Erfolgsmessung ist.

In der exakten Messbarkeit der Daten sieht Joe die Vorteile von Online-Video-Marketing. Seine These: Wenn mehr Verantwortliche wüssten, wie ungenau die Reichweitenmessung beim Fernsehen ist, würde niemand mehr Webebudgets fürs TV ausgeben. Allerdings können TV-Inhalte nicht eins zu eins ins Internet übertragen werden. Und Webvideo ist nicht gleich Webvideo: Auch die unterschiedlichen Online-Kanäle brauchen eigens zugeschnittenen Content – so wie jede einzelne Zielgruppe, beziehungsweise Persona, eigene Inhalte braucht. Was Webvideos offenbar nicht unbedingt brauchen, ist Ton: Da wir immer öfter Videos unterwegs schauen, verzichten wir häufig auf Ton – eine neue Ära des Stummfilms, sagt Jonathan. Und da wir auch in der Ära der Werbeflut leben, gilt es, den Zuschauer bereits in den ersten Sekunden mit dem Video zu fesseln: Wer das nicht schafft, hat die Aufmerksamkeit verloren. Heute ist es besonders einfach, die richtige Botschaft an die richtige Person zur richtigen Zeit zu vermitteln. Testen, scheitern, lernen und besser werden – dank Datenanalyse ist das heute einfacher denn je, so Jonathan Pawlas.

 

Moritz Schleiffelder von HeyMo Studio spricht über Videoproduktion auf der WebVideoCon 2016.

 

Videoproduktion muss nicht teuer sein

Wer die Videoproduktion in professionelle Hände abgeben möchte, wird sich fragen: Und was kostet mich das? In seinem Vortrag „Wie geht, was geht und quanto costa?“ zeigte Videoproduzent Moritz Schleiffelder von HeyMo Studio, dass professionelle Filmproduktion kein Vermögen kosten muss.

Mo ist selbst als One-Man-Show unterwegs, manchmal mit ein bis zwei Assistenten, und kann mit einem Tag Vorbereitung, einem Drehtag, zwei Schnitttagen sowie Anfahrts- und Hotelkosten einen Imagefilm ab 3.000 Euro produzieren. Wer eine Drohne einsetzen, Animationen, Greenscreen, individuell komponierte Musik oder gar 3D integrieren möchte, muss natürlich noch einige Euros drauflegen.

Mit ein wenig Einarbeitung kann jeder einfache Videos auch selbst produzieren, sagt Mo. Ab 1.000 Euro Investment in Equipment ist das durchaus machbar. YouTuber LeFloid und Co machen es vor: Auch mit einfachen Mitteln ist der große Erfolg möglich! Wer sehr viele Videos produzieren möchte, sollte darüber nachdenken, inhouse zu produzieren. Für ein weitverbreitetes Problem beim Dreh hat Mo einen Tipp parat: Um den Hall beim Ton zu vermeiden, der vor allem in großen oder leeren Räumen entsteht, eignet sich Bühnenmolton, den man als Meterware kaufen kann. An einem Vorhangsystem montiert, kann der Raum einfach, schnell und effektiv durch aufziehen des Stoffs akustisch aufgewertet werden. Als Videoproduzent vertritt Mo die Meinung, dass Ton mindestens genauso wichtig ist wie das Bild – wenn nicht sogar wichtiger.

 

Knackig und mitreißend: Content zum Snacken

Meist tonlos sind die Videos, die in Form von snackable Video-Content produziert werden, zum Beispiel um auf Werbetafeln an Bahnhöfen gezeigt zu werden. Dieses Thema beleuchtete Denis Müller, Chief Sales Officer von TubeOne. Auch Denis betonte, dass heutzutage die Botschaft schnell ankommen, das Video den Zuschauer ab der ersten Sekunde fesseln muss. Das ist der Erfolgsfaktor von snackable Content: In der Kürze liegt die Würze. Inhalte werden nebenbei konsumiert – eben wie ein Snack zwischendurch. Die beliebten Social-Media-Plattformen wie Instagram, Twitter, Snapchat und Vine sind für kurze Inhalte ausgelegt.

Influencer-Marketing ist das Stichwort, wenn es darum geht, Kampagnen in Social Media erfolgreich zu machen. Was für die vorangegangene Generation Boygroups und Schauspieler waren, sind heute für Millennials, auch als Generation Y bekannt, Blogger und YouTuber. Die Zielgruppe ist verstärkt mobil unterwegs und nutzt Snapchat und Co – wer hier Influencer für seine Marke gewinnen kann, hat gute Chancen auf Erfolg. Denis rät allerdings, die Wahl mit Bedacht zu treffen, denn Influencer und Marke müssen zueinander passen. Nur so bleibt die Kampagne authentisch und kann erfolgreich werden.

 

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Seid mutig und originell!

Für erfolgreiche Online-Video-Kampagnen bei UFA Lab, der digitalen Einheit von UFA, ist Tobias Schiwek als Head of Ventures zuständig, der einen Vortrag zum Thema „Next Level Online Video“ hielt. Er entwickelt mit seinem Team neue Online-Video-Formate, um die junge Zielgruppe zu erreichen – und auch er bemerkt, dass ein weiteres Smokey-Eyes-Video nicht punkten wird und ruft zur Originalität auf. Er und sein Team lassen zum Beispiel bekannte YouTube-Gamer im echten Leben Fallschirmspringen oder mit Virtual-Realiy-Brillen Fußball spielen oder eine bekannte Soap-Darstellerin einfache und gesunde Rezepte kochen – mit großem Erfolg bei der jungen Zielgruppe.

Auch Tobias nennt Influencer als wichtige Helfer beim Online-Video-Marketing. YouTuber sind die Stars der heutigen Zeit. Manch ein YouTuber erhält eine höhere Tagesgage als einer der populärsten deutschen Schauspieler, verrät Tobias.

 

Die Verschmelzung von Realität und Virtualität ist die Zukunft

Sabine Georg, Creative Agency Manager bei Google/YouTube, fesselte das Publikum mit der Keynote zum Thema „Next Best Thing on YouTube“. Sie verriet uns, dass 360-Grad-Video und Virtual Reality (VR) die Zukunft sind. Im Vordergrund steht hier die sogenannte immersive Erfahrung, also die Verschmelzung der echten mit der digitalen Welt. Mithilfe von 360-Grad-Videos und VR-Brillen, die es in einfacher Form auch aus Pappe gibt, begeben wir uns in eine virtuelle Welt, in der wir neue Orte entdecken, an Events teilnehmen und Abenteuer erleben können, ohne uns von der Stelle zu bewegen – „follow unexpected journeys“, wie Sabine es ausdrückte.

Für Marken ist diese Technologie eine große Chance. Sabine ist der Meinung, dass beispielsweise Autohändler und Reiseveranstalter in jedem Fall 360-Grad-Videos nutzen sollten, um ihre Produkte für die Kunden schon vor der Probefahrt oder dem Urlaubsantritt erlebbar zu machen. Aber auch über das Marketing hinaus eröffnen sich durch die virtuelle Realität ganz neue Möglichkeiten: Mit „Immersive Journalism“ haben wir die Chance, das aktuelle Weltgeschehen hautnah zu erleben – als wären wir mittendrin. Das Google-Expeditions-Projekt „Take your students to places a school bus can‘t“ bindet virtuelle Realität in den Unterricht ein. Schüler bekommen die Möglichkeit, Orte, über die im Unterricht gesprochen wird, virtuell selbst zu besuchen – eine ganz neue Methode der Unterrichtsgestaltung.

„Nutzt die versammelte Expertise, um jetzt loszulegen. Now is the time!“ forderte Sabine das Publikum auf.

 

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iAnimal: Die Welt durch die Augen eines Mastschweins

Selbst in die virtuelle Welt eintauchen konnten die Besucher am Stand von Animal Equality. Mit ihrem Virtual-Reality-Projekt iAnimal möchten die Tierschützer Verbrauchern einen authentischen Einblick in Mastbetriebe und Schlachthäuser geben. Das 360-Grad-Video über das Leben eines Mastschweins gewann den Webvideopreis 2016.

Mit einer VR-Brille auf der Nase und auf einem Drehstuhl platziert, begibt sich der Zuschauer in die Perspektive eines Schweins. Indem er nach links, rechts, oben und unten schaut, kann er den gesamten Raum erfassen, was die Szenen besonders real erscheinen lässt.

Die Stimme aus dem Off gehört dem Musiker und Tierschützer Thomas D. Sie begleitet uns vom Ferkeldasein, wo wir in den Exkrementen unserer Mutter zur Welt kommen, über das trostlose Leben im tageslichtlosen Stall, wo einige unserer Artgenossen vor Verzweiflung um sich beißen, bis hin zum Ende unseres Lebens im Schlachthof. Auch hier erlebt der Zuschauer die Szene hautnah, befindet sich gefühlt mitten im Geschehen. Die Tierschützer von Animal Equality haben sich bewusst für die Darstellungsform der virtuellen Realität entschieden, um dieses Mittendrin-Erlebnis zu erzeugen und somit die Verbraucher zu sensibilisieren. Kaum jemand dürfte völlig unbeeindruckt den Drehstuhl am Stand von Animal Equality verlassen haben – genau diese Sensibilisierung ist das Ziel der Tierschützer, und Virtual Reality genau das richtige Medium dafür.

 

Fazit: Originelle und zielgruppenorientierte Videoinhalte sind die Zukunft

In der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Speaker einig, dass jedes Unternehmen Online-Video-Marketing braucht. Jonathan Pawlas meint, eine Bewegtbildstrategie ist essenziell für jedes Unternehmen, das am Markt bestehen möchte. Er merkte auch an, dass nicht die Reichweite entscheidend ist, sondern die richtigen Views. Die Analyse der Daten, die uns im Online Marketing zur Verfügung stehen, macht es möglich, die Richtigen zu erreichen. Indem Christian Tembrink Stephen Hawking zitiert, prophezeit er allen Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern, dass sie in spätestens vier Jahren Konkurs anmelden, wenn sie nicht anfangen, datengetrieben zu arbeiten.

Ob Marketing im B2C- oder B2B-Bereich: Hier ist Originalität gefragt, denn in beiden Fällen werden Inhalte für Menschen gemacht. Und wer für seine Zielgruppe relevante Inhalte produziert, braucht keine Angst vor Ad-Blockern zu haben – denn richtig guten Content werden die User selbst finden und gerne konsumieren.

Wir danken allen Speakern und Besuchern für einen inspirierenden und aufregenden Konferenztag und freuen uns aufs nächste Jahr! 

Herzlichen Dank für die Fotos an Olli Broll.